Wie viele Politiker*innen sind genug?

Publiziert in Ausgabe 2020-16

Wie viele Politiker*innen sind genug?

Am 20. und 21. September finden nicht nur Gemeindewahlen statt, sondern auch ein italienweites Verfassungsreferendum. Doch worum geht es bei der kaum beachteten Volksabstimmung überhaupt?
Die Verfassung bestimmt die grundlegenden Werte und Regeln, auf denen ein Staat aufgebaut ist. Dieses Regelwerk hat somit großen Einfluss darauf, welche Rechte die Bürger*innen haben, wie eine Regierung zustande kommt und wie Gesetze beschlossen werden. Weil die Verfassung so grundlegend ist, kann sie nur unter bestimmten Bedingungen geändert werden. Ein möglicher Weg führt über eine Volksabstimmung.
Schauen wir uns das genauer an:
Die Verfassung der Republik Italien besteht aus 139 Artikeln. Gemessen daran geht es beim Referendum um wenig, nämlich nur um die drei Artikel 56, 57 und 59. Einerseits wird eine Unklarheit zur maximalen Anzahl der Senatoren auf Lebenszeit beseitigt, die der oder die Staatspräsident*in ernennen darf. Doch vor allem soll die Zahl der Sitze im italienischen Parlament gesenkt werden.
Das Parlament besteht aus zwei Kammern: dem Senat und der Abgeordnetenkammer. Während der Senat derzeit 315 Gewählte umfasst, hat die Abgeordnetenkammer mit 630 Sitzen genau doppelt so viele. Mit der nun vom Parlament vorgeschlagenen Änderung sollen beide um etwas mehr als ein Drittel geschrumpft werden: auf 200 bzw. 400 Sitze.
Es zählt nicht nur die Größe
Auf den ersten Blick scheinen die derzeit 945 gewählten Vertreter*innen im Parlament ganz schön viele. Doch immerhin hat Italien über 60 Mio. Einwohner. Kleinere europäische Länder haben gemessen an der Einwohnerzahl sogar größere Parlamente.
Ein so großes Land wie Italien zu verwalten, bedeutet viel Arbeit und viel Verantwortung. Dass beides auf mehrere Schultern verteilt wird, ist eigentlich folgerichtig. Doch bei vielen Italiener*innen hat sich der Eindruck durchgesetzt, dass das Parlament seinen Aufgaben nicht nachkommt und zu einer Mischung aus Zirkus und Selbstbedienungsladen verkommen ist.
Daran sind die Politiker*innen zum Teil selbst schuld. Doch auch das politische System trägt dazu bei: Weil Senat und Abgeordnetenkammer die exakt gleichen Kompetenzen haben, blockieren sie sich bei der Gesetzgebung oft gegenseitig. Das komplizierte Wahlrecht und ständige Parteiwechsel der Parlamentarier tun ihr Übriges, um die Arbeit zu erschweren.
Eine Reduktion der Anzahl der Sitze ist nicht zwangsläufig schlecht. Doch ob diese Reform an den grundlegenden Problemen etwas ändert?
Die immer wieder ins Feld geführte Kosteneinsparung ist jedenfalls verschwindend gering: Mit geschätzten 80-100 Mio. Euro jährlich würde sie etwa 0,01 % des italienischen Staatshaushalts ausmachen.
Und Südtirol? Aufgrund einer Sonderklausel wären weiterhin drei Senatssitze für die Provinz reserviert. Nur in der Abgeordnetenkammer könnte sich die Anzahl der Südtiroler Sitze reduzieren – abhängig vom neuen Wahlgesetz, über das in Rom gerade noch verhandelt wird. Die Südtiroler Stimmen hätten in einem kleineren Parlament vielleicht sogar mehr Gewicht.
Ein Quorum (Mindestbeteiligung) gibt es beim Referendum übrigens nicht: Das Ergebnis zählt, egal wie viele Leute abstimmen. Gewinnt das Ja, greifen die Änderungen mit der nächsten Parlamentswahl.

Mag. Lukas Elsler
Politik- und Kommunikationsberatung
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